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Durch Zufall hatte ich bei der VHS erfahren, dass in Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit in Treptow eine geführte Fahrradtour durch Schöneweide angeboten wird. Das Dokumentationszentrum stand schon lange auf meiner To-Do-Liste und so meldete ich mich und eine Freundin kurzerhand an. Es war tatsächlich meine aller erste geführte Radtour.
Der Start war das Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit. Die Gruppe bestand aus etwa 15 Personen unterschiedlicher Couleur. Eine Familie, ein Rentner, ein junges Paar etc. Unsere Führerin leitete uns erst durch die Ausstellungsräume und erzählte von der Geschichte des Gebietes um Schöneweide. Das Dokumentationszentrum befindet sich in ehemaligen Baracken eines Zwangsarbeiterlagers aus dem zweiten Weltkrieg. Viele Baracken sind noch erhalten, einige werden mittlerweile auch anderweitig z.B. als Autowerkstätten oder von Freizeitvereinen genutzt. Es ist das einzige Zwangsarbeitslager in Berlin (es gab über 3.000 allein in Berlin!), das bis heute als Gesamtensemble erhalten geblieben ist.
Das Beeindruckenste an der Führung war die Info, dass nach dem Einmarsch in Polen schon frühzeitig Arbeitsämter errichtet wurden und sich Zivilisten melden mussten, um dann zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert zu werden. Es waren also nicht nur Juden und Kriegsgefangene, die Zwangsarbeit leisten mussten, sondern auch sehr viele Zivilisten.
Einen Besuch kann ich in jedem Fall empfehlen. Jeden 1. und 3. Sonntag im Monat um 15 Uhr werden öffentlichen Führung ohne Anmeldung angeboten.
Wir fuhren dann zunächst ein Stück auf die andere Seite des Lagers an der Rudower Straße. Hier waren überwiegend Militärgefangene und Zivilarbeiter aus West- und Osteuropa interniert. Inschriften an den Wänden zeugen davon.
Über die Schneller Straße fuhren wir zum Bruno-Bürgel-Weg. Hier befand sich seit 1928 die Batteriefabrik Pertrix, eine Tochterfirma der zum Quandt-Konzern gehörenden Akkumulatorenfabrik AG. Hier mussten bereits seit 1938 Berliner Juden Zwangsarbeit leisten. Später kamen Kriegsgefangene, Ostarbeiter und KZ-Häftlinge dazu, die unter widrigsten Umständen Trockenbatterien und Taschenlampen für die Wehrmacht sowie Zünderbatterien für Kampfflugzeuge der Luftwaffe herstellen mussten. Hier arbeiteten überwiegend Frauen. Heute sind hier kleinere Firmen untergebracht.
Wir fuhren weiter über Spindlersfeld zur Altstadt Köpenick. Auf der nördlichen Seite der Altstadt an der „Freiheit“ befand sich seit 1910 eine Synagoge. Heute erinnert nur noch ein Gedenkstein daran. Während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 plünderte die SA diese Synagoge und steckte sie in Brand. Nach Kriegsende wurde die Ruine abgetragen.
Weiter ging es über die Dammbrücke und die Bahnhofsstraße zur Gedenkstätte „Köpenicker
Blutwoche Juni 1933“ in der Puchanstraße. Während der Köpenicker Blutwoche wurden hunderte Gegner des Nationalsozialismus gefangen genommen, gefoltert und gedemütigt. Die Gedenkstätte kann immer donnerstags von 10-18 Uhr besucht werden.
Wir fuhren wieder zurück zur Lindenstraße und weiter zum Waldfriedhof Oberschöneweide in der Wuhlheide. Hier befinden sich die Gräber der Familie Rathenau, obwohl die Rathenaus nicht in Oberschöneweide gewohnt haben. Emil Rathenau war AEG-Begründer und sein Sohn Walther übernahm die Firma nach seinem Tod. Die AEG beschäftigte im zweiten Weltkrieg ebenfalls Zwangsarbeiter.
Die letzte Station war die Villa Rathenau, welche für Erich Rathenau gebaut wurde. Erich verstarb jedoch kurz vor dem Einzug.
Hier trennte sich die Gruppe. Meine Freundin und ich nutzten die Gelegenheit und besuchten endlich mal das Kranhauscafé an der Spree. So wunderbar dort. Tolle Atmosphäre, leckere Kuchen.
Gastro-Tipp: Kranhauscafé, Paul-Tropp-Straße 11, 12459 Berlin, 030 63967680
Mein Fazit zu meiner ersten geführten Radtour: Was mir gut gefiel, war die Tatsache, nicht nachdenken zu müssen, wo es lang geht. Immer dem Guide hinterher. Dazu waren die Infos, die wir an den einzelnen Orten erhielten, ein echter Mehrwert. Die Gruppengröße war auch top. Ich habe aber wieder gemerkt, dass ich es doch eher mag, alleine unterwegs zu sein. Ich fahre gern in meinem eigenen Tempo und schaue mir die Orte am Wegesrand an, die ich spannend finde. Auf dieser Tour wollte ich ein ums andere Mal anhalten, zum Schauen oder Fotos machen, und konnte das eben nicht.
Weitere Informationen zu Ausstellungen und Führungen zum Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit. Weitee Infos zur Radtour auf der Webseite der VHS Treptow Köpenick.
Die Radtour mit Hintergrundinformationen als PDF
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Michael Werner
Deinem Fazit kann ich nur voll und ganz zustimmen. Das gilt übrigens für alle geführten Touren. Ob per bike, zu Fuss oder auch im Museum. Da wird das Mehr an Informationen mit der Aufgabe der induviduellen Tourengestaltung bezahlt.
Ansonsten wieder schöner Bericht, obwohl das Thema nicht so ganz meines wäre.
Tine
Stimmt, Michael. Das hast du sehr gut zusammengefasst. Danke auch für dein Kompliment!